Das südliche Western Australia ist eine riesige Kornkammer und trägt den Namen «wheat belt». Stundenlang fahren wir durch diese unvorstellbar grossen Ländereien und begegnen niemandem. Der Weizen ist jetzt Ende Oktober noch grün, die Erntezeit beginnt im Dezember. Die meisten Farmen haben eine Flugpiste, man fliegt zum Einkaufen. Die weit auseinander liegenden Ortschaften sind winzig, bestehen aus ein paar Häusern, einer Post, allenfalls einem kleinen Shop, einer Tankstelle und einer riesigen Siloanlage. Einzig bei diesen lässt sich etwas Aktivität ausmachen. Gegen Westen wird es immer trockener. Im Grenzgebiet zur westlichen Wüste erheben sich grosse Granitblöcke als einzelne weit verstreute Hügel, in deren Vertiefungen kleine Stauseen angelegt sind. In Hayden ist einer der grössten, der wegen seiner ausgehöhlten Formation (Wave Rock) Berühmtheit erlangt hat.
Nach einem Teilstück auf dem noch einsameren Holland Track, der bis zur Goldgräberstadt Kalgoorlie führen würde, zweigen wir ab Richtung Süden und durchqueren ein paar weitere hundert Kilometer Farmland. Auf unserer «bucket list» gibt’s noch einen wichtigen, bisher unerfüllten Wunsch, nämlich den Besuch eines «shearing contests» und eines «dog and sheep trials». In Katanning findet am Wochende eine «agricultural show» statt, und wir sind nun endlich mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort! Die Wettbewerbe der arbeitenden Hunde sind eine seriöse Sache. Es gibt staatliche und auch eine nationale Meisterschaft. Am Freitag sind die Junghunde dran, es hat nur wenig Publikum und wir sind zuvorderst am Zuschauen. Ein erfahrener Hundetrainer erklärt uns die Regeln. Der Hund muss eine Herde Schafe zusammen treiben, dann in ein kleineres Gatter lenken, von wo die Schafe einzeln in ein Schlauchgatter getrieben werden. Sind mal alle drin, springt der Hund über die Schafreihe um vorne beim Ausgang Platz zu schaffen, damit der Hundeführer das Tor öffnen kann. Ist dieses geöffnet, duckt sich der Hund unter der rennenden Schafherde zurück um wieder hinter das letzte Schaf zu gelangen, dabei kriegt er schon ab und zu einen Tritt ab. Wir bewundern den Mut und die Ausdauer dieser Hunde. Der Hundeführer darf während des Parcours ausser den Kommandos «round up», «get behind» und «get up» nicht helfen, ansonsten gehen wertvolle Punkte verloren, auch gibt’s eine vorgegebene Zeitlimite.
In den Sterling Ranges herrscht leider garstiges Wetter, der Bluff Knoll ist in Nebel gehüllt und deswegen ist ein Aufstieg nicht ratsam. Wir begnügen uns mit einem kleineren Spaziergang und machen Fotos von triefenden Blumen. Der grosse, fast flugunfähige und vom Aussterben bedrohte Malleefowl (Thermometerhuhn) sehen wir nur in einer Auffang- und Aufzuchtstation. Der deutsche Name bezeichnet eine Fähigkeit dieses Vogels, nämlich die Höhe des Bruthügels so zu verändern, dass die Temperatur der darin abgelegten Eier konstant ist.
An der Südküste liegen mehrere wildromantische, grosse Nationalparks, wie der Fitzgerald River, der Cape le Grand und der D’Entrecasteaux. Der Frühling will sich nicht so richtig von der freundlichen Seite zeigen, es bleibt kühl, windig und zeitweise nass, dementsprechend ist ausser uns auch praktisch niemand unterwegs. Die off-road Pisten gestalten sich eher schwierig. Sie sind schmal, sehr sandig und zum Teil zugewachsen. Zum ersten Mal kommt auch unser Bergematerial zum Einsatz, das lässt Hans ansonsten so unerschrockenes offroad Herz doch etwas höher schlagen. Aber wir werden natürlich auch belohnt. Bei einem einsamen Spaziergang entlang der schäumenden Wellen taucht in unmittelbarer Nähe des Strands ein Wal mit seinem Kalb auf und dreht ein paar Runden extra für uns. Zum vollständigen Glücksgefühl gesellen sich noch einige Delfine hinzu.
Eine alte Walfangstation (letzter Betrieb 1978) in der Nähe von Albany wurde zum interaktiven Museum umgestaltet. Mit Sound und guten Bildern wird vermittelt wie die Jagd und Verarbeitung dieser armen Tiere vor sich ging. Einzig der bestialische Geruch bleibt einem erspart. Das Fleisch wurde eingekocht und diente der alleinigen Oel Gewinnung, die Fleischresten und die Knochen wurden zu Mehl verarbeitet und als Dünger gebraucht. Walschützer und gleichzeitig auch das Aufkommen synthetischer Fette brachten das Geschäft zum Erliegen.
Mit Seabridge sind wir in Kontakt, der Schiffsfahrplan ändert sich stetig, aber die Abgabe des IVECO sollte vor unserer Abreise am 5.12. klappen. So denken wir jedenfalls. Aber als dann ein Schiff nach dem anderen ausfällt, sind wir dessen nicht mehr so sicher. Nichtdestotrotz geniessen wir die Tage in Margret River und Umgebung. Wir haben auf der Gibb River Road Leonie und Peter aus Perth kennengelernt. Sie haben uns eingeladen die letzten paar Tage in ihrem Haus zu verbringen und die Reinigung des IVECOs in ihrem Garten zu machen. In der Planung sollte dies so vom 2.12..- 5.12. stattfinden und so sorgen wir uns noch wenig um das finale Ende. Auf dem Markt in Margret River herrscht emsiges Treiben, wir entdecken an einem Stand «HEIDI Goat Cheese»! Der wunderbare Käse wird von zwei ausgewanderten Schweizern gemacht. Wir können Sonja und Andreas auf ihrer Farm besuchen und verbringen einen sehr interessanten Tag auf ihrem beeindruckenden Betrieb. Vielen Dank euch beiden!
Die etwas grösseren Städtchen (so zum Besipiel Mt.Baker und Collie) im Inland möchten ebenfalls Touristen anziehen und tun dies mit ihren sehr grossen und aufwändigen Wandmalereien, sog. mural trails. Wie immer bei Kunst bleibt es Geschmacksache, aber einige Bilder finden wir sehr schön und witzig gemacht.
Sehr überraschend kommt für uns die Tatsache am 20.11., dass sämtliche Schiffe im Dezember ausfallen und nur noch die Möglichkeit besteht mit dem Schiff vom 26.November zu verschiffen. Hierzu müsste aber die Abgabe bereits am 24.11. erfolgen. Ein Hilfeanruf an Leonie: Es sei kein Problem, wir sollen einfach kommen. Peter ist nicht zu Hause, er arbeitet offshore und sie arbeite auch ausser Haus und so stehe ihr Haus praktisch den ganzen Tag leer. Wir nehmen ihr Angebot dankend an und machen uns nach einer Lastwagenwaschstrasse direkt auf den Weg nach Perth South zu ihr. In Eile räumen wir aus und füllen damit das halbe riesige Wohnzimmer (Leonie staunt – sie hätte gar nicht gewusst, dass wir in diesem Wagen so viel Platz hätten!) und machen uns ans Putzen. Der Survey und die Abgabe im Hafen von Fremantle gehen glatt über die Bühne. Wir nehmen die Einladung von Leonie, bis zu unserem Abflug ihre Gäste zu bleiben an, und fahren täglich an den nahgelegenen Strand von Coogee. Hier gibt’s ein grosses Hainetz und so ist das ausgiebige Schwimmen im Meer sehr entspannt. Natürlich freuen wir uns nach so langer Reisezeit aufs Nachhausekommen und doch sind wir jetzt schon traurig Australien zu verlassen. Leonie und Peter (der wegen Covid bedingten Engpässen immer noch offshore bleiben musste) danken wir ganz herzlich für die grosszügige Gastfreundschaft und hoffen sehr fest auf ein Wiedersehen in der Schweiz.
See you again AUSTRALIA 🚚!