Wir haben Litauen vorerst verlassen und haben im Osten die Grenze nach Lettland passiert. Wir durchqueren die Stadt Daugapils und halten nur kurz bei der Burg und besichtigen das neu erstellte Mark Rothko Museum. Mark(us) Rothko(witz), ein russischer Jude, wurde hier geboren, die Familie emigrierte aber bereits 1913 in die USA, wo er studierte und als Künstler Karriere machte.
Wir folgen dem Fluss Daugava fast bis zur russischen Grenze, passieren da viele alte und kleine Holzhäuser mit kleiner Landwirtschaft. Trotz grosser Weiden halten die Bauern jeweils nur einzelne Kühe, die an einem Strick angebunden für sich alleine oder zu zweit grasen. Wahrscheinlich braucht es der langen Winter wegen doch relativ viel Fläche um auch nur ein, zwei Kühe zu ernähren. In den kleinen Städten sind die Spuren der sowjetischen Ära noch deutlich zu sehen. Die schrecklichen Plattenbauten und halb verfallenen Backsteinhäuser werden zum Teil noch bewohnt. Zumindest hier im Osten ist die Armut deutlich sichtbar. Wir freuen uns an viel unberührter Natur und fahren über Schotterstrassen durch grosse Wälder und an vielen Seen vorbei. Die Balten lieben Skulpturen, fast jedes Haus hat eine und alle Städtchen haben welche in einem Park. In Lettland sind es vorwiegend Skulpturen aus Holz oder Stein.
Das Wetter bleibt wechselhaft und deshalb sind wir schon nach einigen Tagen an der Grenze zu Estland.
Bei regnerischem und nebligen Wetter fällt unsere Wanderung im Haanja Naturpark eher kurz aus. Trotzdem besteigen wir noch den höchsten «Berg» Estlands, den Munamägi (318m.ü.M.) Wir sind bereits frühnachmittags in Otepää, wo ein schöner Golfplatz liegt. Bei wiederum Sonnenschein gehen wir um 16:30 Uhr auf die Runde, die Lichtverhältnisse bleiben perfekt, nur die abendliche Mückenplage treibt uns zur Eile an. Das Übernachten auf dem Golfplatz ist auch hier problemlos möglich und nach Dusche und sogar Sauna lassen wir uns im Restaurant verwöhnen.
Die alte Universitätsstadt Tartu gefällt uns sehr gut. Es gibt unzählige Statuen zu bewundern, am berühmtesten ist sicher das sich küssende Studentenpaar im Springbrunnen vor dem Rathaus. Die Gesprächsszene mit dem englischen Oscar Wilde und dem estnischen Literaten Edouard Vilde ist eine Spekulation aus der Literaturgeschichte, aber sehr hübsch. Die alten Häuser sind schön renoviert, und auch die Johanniskirche wurde sehr aufwändig restauriert. Eine gemütliche Pause verbringen wir im Cafe Werner mit riesiger Auswahl an hervorragender Patisserie.
Am Peipsi järv (dem viertgrössten See Europas) empfängt uns eine steife Brise, so dass wir trotz schönem Sandstrand die Badehose nicht auspacken. Wir fahren weiter bis zum grossen Nonnenkloster in Kuremäe. Das Kloster ist seit über hundert Jahren in Betrieb und hat auch die Kriegszeiten und die Sowjetzeit unbeschadet überlebt. Es ist für uns die erste russisch orthodoxe Kirche, die wir besichtigen. Von aussen gefällt sie uns wesentlich besser als von innen.
In Estland wird überall gebaut und renoviert. Wir sehen zwar noch zerfallende Zeugnisse aus der Besatzungszeit, darunter doch einige, die noch bewohnt sind, aber viele Häuser sehen gepflegt aus.
Wir nähern uns der russischen Grenze und im ehemaligen Badeort Narva-Jöesuu , wo einst die russische Oberschicht zum Bad und zur Kur kam, mutet es zuweilen gespenstig an. Grosse verfallene Kurhäuser umgeben von verwilderten Gärten prägen das Ortsbild. Einzelne Hotels sind schon neu und einige im Bau und in ein paar Jahren wird dieser Ort mit dem längsten Sandstrand Estlands hoffentlich ein blühender Ferienort werden. In der Grenzstadt Narva sieht man von der alten Herrmannsfestung nach Russland hinüber, wo ebenfalls die Burg Ivangorod die Grenze markiert. Am Grenzübergang bildet sich beidseitig eine längere Autokolonne.
Wir drehen um und fahren nach Plan Richtung Tallinn weiter.