Wir lernen hier in Australien ganz neue Distanzbegriffe kennen: «Just down the road» bedeutet so etwa 40-80km, mit «Not far from here» ist alles zwischen 100-200km gemeint und «Far out» ist es dann ab 1000km. Es gibt von Alice Springs (NT) nach Western Australia (WA) die sogenannt längste Abkürzung (the longest shortcut in Australia) und zwar ist das die Tanami Road: eine rund 1000km lange ungeteerte Strasse, die durch die unbewohnte Tanami Wüste führt. Und genau diese Strecke wählen wir, da wir wegen erneuten Covid Fällen in VIC, NSW und QLD unbedingt vor der drohenden Grenzschliessung Western Australia erreichen wollen. Wunderbarer glatter Lehmboden wechselt sich ab mit steinigem, holprigem Untergrund und auch mit sandigen Passagen und grösseren Löchern muss jederzeit gerechnet werden, so wird’s einem am Steuer nie langweilig! Zudem könnte jederzeit eine Herde ausgewilderter Kühe, Pferde oder Kamele die Fahrbahn mit einem teilen wollen. Die Begegnung mit Kamelen lässt nicht lange auf sich warten. Sie sind aber inmitten dieser mit Termitenhügeln durchsähten Landschaft gut getarnt. Nach etwa einem Drittel der Strecke befindet sich die Aborigines Gemeinde Yuendumu mit einem Lebensmittelgeschäft und der letzten Tankmöglichkeit für ca 800km. Das Lebensmittelgeschäft und die Tanksäule sind vergittert, die Häuser sind absolut verwahrlost mit kniehohem Kehricht im Garten. Auf den Veranden türmen sich zerschlissene Sofas und sonstiger Unrat und darin turnen Hunde und kleine Kinder herum. Der Lebensmittelladen ist aber aufgeräumt und auch gut sortiert, er wird von einer weissen Familie geführt. Auf Befragung verrät mir die Tochter des Besitzers, dass es schon sehr speziell sei hier draussen zu leben, sie seien halt für sich und müssten alles gut einschliessen! Australien anerkennt die Rechte der indigenen Völker und bemüht sich seit 2000 um Wiedergutmachung und Aufarbeitung des geschehenen Unrechts. Doch das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen und die aufeinander treffenden sehr gegensätzlichen Wertesysteme erschweren eine auch nur teilweise Integration. Die Landrückgaben und die Fördergelder zeigen nur an gewissen Orten positive Auswirkungen, an anderen Orten dominieren leider Alkoholismus, Verwahrlosung, und Frauen- sowie Kindsmisshandlungen.
Nach vier einsamen, aber sehr friedlichen Tagen erreichen wir WA. Die letzten Äpfel und das restliche Gemüse sind zu Mus und Suppe eingekocht und so passieren wir ohne jegliche Frischwaren die Grenze. Ein kleiner Abstecher von der Tanami bringt uns zum grössten Meteoritenkrater Australiens, zum Wolfe Creek Crater, mit einem wunderbaren Bushcamp.
Der Purnululu Nationalpark ist unser nächstes Ziel. Allerdings muss dieser Park zuerst verdient werden. Den Eingang erreicht man nämlich nach einer 50km langen «heavily corrugated» (sprich Wellblech) Piste, wir werden während 2 Stunden so richtig durchgerüttelt und der IVECO auch; das bedeutet nichts anderes, als dass Tomaten- und Ananasbüchse ihre Etiketten verlieren, eine Bierbüchse gespalten ist und sich einige Schrauben gelöst haben. Welche wohl?
Der Purnululu, früher Bungle-Bungle Park genannt, entlöhnt aber für die die Strapaze des Hin- und Rückwegs. Aufregend fanden wir die Wanderung in die Echidna Kluft (Chasm). Hohe Felswände begrenzen die lange Kluft, die bis zum Ende begehbar ist. In einen grösseren Hohlraum scheint die Sonne gerade mal 5 Minuten pro Tag hinein, was ein begehrtes Fotomotiv ergibt. Wir sind zwar zur richtigen Zeit hier, aber zu viele Leute begehren das ultimative Bild, so dass es schlussendlich wohl niemandem so richtig gelingt. Das riesige relativ weiche Kalkgestein Gebirge des Parks wurde durch Erosion zu den heutigen Kegeln (die dem Park den Namen Bungle-Bungle gegeben haben) geformt. Die bandförmige rot-schwarze Zeichnung der Oberfläche ist ebenfalls Ausdruck der Erosion. Schwarz sind die Berge, wo sie noch durch eine Schicht Cyanobakterien bedeckt sind und rot sind sie dort wo bereits Erosion stattgefunden hat und das Eisen im Gestein oxidiert. Auf der Wanderung im fast ausgetrockneten Bachbett (Picanninny Creek) begleitet von den Bungles, sind wir dann nach einer Stunde praktisch alleine unterwegs. Es sind 10 heisse und anstrengende Kilometer, wir geniessen die Aussicht und Hans ist immer auf Ausschau nach einer Peitschenschlange (whip snake), die hier vorkommt, aber schwer zu sehen ist, da sie pfeilschnell abhuscht, sobald sie Tritte spürt. Wir hören es mehrmals rascheln, und ich bin sehr froh über das schnelle Verschwinden, des was auch immer!
In Kununurra machen wir ein paar Tage Halt. Geniessen eine sehr touristische, aber schöne Bootsfahrt auf dem Ord River, bevor wir die berüchtigte und weltbekannte Gibb River Road durch die Kimberley in Angriff nehmen. Das Jahr hat hier zwei Saisons: the wet und the dry season. Während der Regenzeit im Sommer sind die Flüsse hoch und die Gibb River Road unpassierbar. Die Kimberley Region (= nördlicher Teil von WA) ist zum Teil gebirgig mit Schluchten und Wasserfällen und zeichnet sich durch eine ganz spezielle Flora und Fauna aus. Rund um die Küste, sowie in allen Flüssen leben Krokodile und zwar Freshies (nur im Süsswasser) und die sehr viel aggressiveren Salties (diese können aber auch problemlos im Süsswasser leben!) Beiden Sorten sollte man im Wasser nicht begegnen! Die obersten Abschnitte der Flüsse sind crocfrei und man kann ein erfrischendes Bad geniessen, allerdings muss man sich diese Orte zuerst erwandern. Die aktuell gelb blühenden Kapok Bäume und die blätterlosen Boab Bäume geben dieser tropischen Savanne einen unbeschreiblich schönen Touch. Ja, Boab oder Baobabs kommen hier im Norden von Australien vor und sind eng verwandt mit denen von Afrika. Sie blühen in der Regenzeit, die Früchte sind essbar und in der Trockenzeit werfen sie ihre Blätter ab um Wasser zu sparen. Wir können uns fast nicht sattsehen an diesen flaschenförmigen runden Stämmen mit den in den Himmel ragenden Ästen.
Letztes Jahr waren die innerstaatlichen Grenzen für lange Zeit geschlossen und weiterhin dürfen die Australier nicht ins Ausland reisen, also sind aktuell alle im eigenen Land unterwegs. Die Gibb River Road gilt als Ikone der off-road Strecken und als eine der «last Frontiers» des Outback. So erstaunt es nicht, dass hier so viel Leute unterwegs sind wie noch gar nie. Die Bushcamps und Stationcamps stossen alle an ihre Kapazitätsgrenzen. Trotzdem erleben wir 14 wunderbare Tage.