In Lettland haben wir am meisten geschotterte Strassen begegnet. Viele Nebenstrassen sind in Lettland ungeteert, der Zustand ist jedoch äusserst unterschiedlich. So kommt ab und zu doch off-road Stimmung auf.
Grosse Wälder wechseln sich ab mit ausgedehnter Buschlandschaft und neben weiten Farmen mit Getreidefeldern treffen wir auch hin und wieder auf einen schönen Pferdehof.
Wir fahren entlang der lettischen Ostseeküste, wenig besiedelt und noch wenig touristisch erschlossen, obwohl sich hier die schönsten Sandstränden des Baltikums befinden. Immer wieder gelingt es uns auf einem mehr oder weniger gut befahrbaren Waldweg an einen einsamen Strandplatz zu kommen, wo es sich herrlich übernachten lässt. Die Wassertemperatur wird jeden Tag leicht höher und somit das Badevergnügen immer besser.
Das Wochenende von Midsommer (Johannisnacht am 23.6.) naht und aufgrund der Festvorbereitungen, die wir überall gesehen haben, entscheiden wir, dieses verlängerte Wochenende auf einem Camping zu verbringen und die Picknickplätze am Strand den Einheimischen zum Festen zu überlassen. Der ganze Frühsommer war sehr trocken und es herrscht akute Waldbrandgefahr; so dass viele midsommer Scheiterhaufen etwas kleiner ausfallen als üblich. Mit dem Camping in Mikelbaka finden wir einen ausgezeichneten Ort um die Sommersonnenwende zu verbringen. Die Campinghäuschen sind ausgebucht, aber auf der grosszügigen Wiese hat es für alle ausreichend Platz, der Strand ist einmalig schön, das Wetter traumhaft und wir geniessen die Tage hier sehr. Bis weit nach Mitternacht sitzen wir am traditionellen Lagerfeuer.
Weiter geht’s nach Ventspils, einer netten, lettischen Hafenstadt mit schönem Strand, die sich nebst 40km Radwegen durch viele und grosszügig angelegte Spielplätze auszeichnet, dass es fast schade ist, ohne Kinder anzureisen… Ähnlich wie 1999 in Chicago fand hier 2002 und 2012 eine «cow parade» statt, über 40 dieser Kunstkühe sind in der Stadt geblieben und auf einem Rundgang mit dem Velo erspähen wir einige davon. Überhaupt gibt es überall im Baltikum, aber nirgends so zahlreich wie in Lettland, Statuen und Künstlerplastiken zu bewundern.
Im Grenzgebiet zu Litauen entdecken wir die ersten reifen Heidelbeeren. Die Stauden sind eher spärlich besetzt, es war ja auch viel zu trocken….Hans findet, es habe mehr Mücken als Beeren und bald gibt er das Ablesen auf, beim Kuchenessen ist er aber wieder dabei!
Zurück in Litauen lassen wir den Küstenort Palanga (ein Ballermann-Mallorca an der Ostsee) links liegen und fahren in den Zemaitija Nationalpark. Wir umrunden den Plateliai See mit dem Velo und inmitten schönster Natur stösst man auf ein für uns nun unwirklich gewordenes Relikt. Es handelt sich um die erste geheime Raketenabschussbasis der Soviets, wo bis 1978 vier mit Atomsprengköpfen ausgestattete Raketen auf Ziele in Mitteleuropa gerichtet waren. Wir besuchen in der Anlage das «cold war» Museum, eine gut gelungene Ausstellung zur Politik und Bewaffnung während des kalten Krieges. Die kühlen Gänge und Abschussrampen muten gespenstig an, wenn man bedenkt wie knapp die drohende Gefahr eines Atomschlages gebannt werden konnte…..
Klassischerweise fährt man von Klaipeda mit dem eigenen Fahrzeug und der Fähre auf die kurische Nehrung. Die kurische Nehrung ist eine aus reinem Sand bestehende, lange, schmale Halbinsel (mit dem Festland im russischen Kaliningrad verbunden) und eine geologische Besonderheit, die Tausende von Touristen anlockt. In den letzten 20 Jahren wurde viel Arbeit geleistet um die Sanddüne zu erhalten und so ist auch der Besuch sehr reglementiert und mit dem Wohnmobil recht kostspielig. Wir entscheiden uns für eine Alternative und besuchen die Nehrung als Tagesausflug von Dreverna aus mit einem kleinen Boot, das auch unsere Klappräder befördert und fahren auf dem Radweg 32 km bis nach Nida, ein Ort der von Künstlern favorisiert wurde und nicht zuletzt wegen des Sommerhauses von Thomas Mann Weltruhm erlangte. An der Ostseeseite erstreckt sich ein kilometerlanger, wunderbarer Sandstrand. Die Temperaturen der letzten paar Tage um 16° und ein starker, kühler Westwind lassen jedoch keine grossen Badegelüste aufkommen. Dafür schmeckt der geräucherte Fisch, der hier überall angeboten wird, umso besser.
Unsere Zeit im Baltikum neigt sich dem Ende zu, wir verbringen die letzten Tage südlich von Klaipeda und spielen eine letzte Runde Golf im Club National von Litauen. Am Ufer des Nemunas, der hier die Grenze zum russischen Kaliningrad markiert, mitten im Niemandsland, wird noch einmal übernachtet, die letzten Eierschwämme und Blaubeeren werden noch verspeist und dann geht es auf die Fähre, die uns von Klaipeda nach Kiel bringt. Wir verlassen das Baltikum mit einer grossen Anzahl von schönen Erinnerungen. Alle drei Länder haben uns gut gefallen und es ist toll zu erleben, dass auch «mitten in Europa» noch herrlich weite und nicht überall von Verboten bestimmte Landstriche zu entdecken sind.